Gewaltfreie Kommunikation mit Ellen Reschke

Gewaltfreie Kommunikation – wertschätzendes Miteinander als Brücke zum Frieden

 

In Zeiten wie diesen, in denen kriegerische Auseinandersetzungen, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung in vielen Bereichen unserer Gesellschaft die Nachrichtenlandschaft prägen, sehnen wir uns alle nach Frieden und Normalität.

Da klingen Begriffe wie Gewaltfreiheit, Wertschätzung oder Empathie wie Musik in den Ohren. Gleichzeitig tauchen Fragen auf: Wie kann ich mich und mein Umfeld schützen, wie kann ich der Nachrichtenflut entkommen? Woher weiß ich, welche Informationen der Realität entsprechen? Habe ich die Möglichkeit, einen Beitrag zu positiven Veränderungen zu leisten - Frieden zu stiften in der Hoffnung auf Nachhaltigkeit?

Und in diesem Zusammenhang stellt sich die weitere Frage nach meinem eigenen ganz persönlichen Umgang mit Konfliktsituationen oder im Umgang mit Kritik. Bin ich denn selbst bereit und in der Lage, meinem Gegenüber friedvoll und wertschätzend zu begegnen und Klärung herbeizuführen? Gelingt es mir, die bloßen Begriffe Gewaltfreiheit, Wertschätzung und Empathie mit Inhalt und Leben zu füllen und entsprechend zu handeln? Die Tatsache, dass ich mir all diese Fragen stelle, zeigt, dass ich bereit bin für Veränderungen in meinem Denken und Handeln. Dass ich bereit bin, mich auf mein Gegenüber oder eine Situation einzulassen. Dass ich bereit bin, in Kontakt zu gehen und zu klären. Nur – wie kann das gehen? Wenn man sich durch einen anderen Menschen verletzt, missachtet oder angegriffen fühlt, entstehen Gefühle wie Ärger, Wut, Hilflosigkeit oder Ohnmacht. Es kann dann zu einer Art „Gegenangriff“ kommen, indem man seinerseits Vorwürfe, Kritik oder Drohungen an sein Gegenüber adressiert. Die Aufmerksamkeit wird auf das gelenkt, was der oder die andere „falsch“ macht, aber nach unserem Verständnis „richtig“ machen müsste. Machen wir uns bewusst, dass Vorwürfe, Forderungen, Bestrafungen der Beginn von Konflikt und Gewalt sein können. Der/die andere fühlt sich angegriffen, verteidigt oder rechtfertigt sich, greift selbst an oder verschließt sich. Dann kann es passieren, dass ich selbst mich unverstanden fühle, mich verteidige und meinem Gegenüber mangelndes Einfühlungsvermögen oder gar Rücksichtslosigkeit vorwerfe und dabei womöglich immer (all)gemeiner werde. Die Konfliktspirale dreht sich. An diesem Punkt kann es hilfreich sein, sich einer Form der Kommunikation anzunähern, die sich mit Gefühlen und Bedürfnissen beschäftigt – den eigenen und denen des jeweiligen Gegenübers. Dabei bleiben Bewertungen oder Verurteilungen außen vor. Schuld und Scham haben keinen Platz, weil es dabei oft nur um (Selbst-)Bezichtigung geht. Jenseits von falsch und richtig gibt es einen Ort, dort treffen wir uns. Jemand der sein Leben der Erforschung und der Veränderung des gewaltvollen Umgangs miteinander gewidmet hat, war der Amerikaner Dr. Marshall Rosenberg, Gründer des Center for Nonviolent Communication (CNVC) in den USA. Er nahm dabei nicht nur globale Konflikte wie etwa den im Nahen Osten oder die Ereignisse des 11. September in den Fokus, sondern auch das Miteinander um uns herum: in Schulen, Familien und Beziehungen und letztendlich auch in uns selbst. Die Ziele der daraus von ihm entwickelten Gewaltfreien Kommunikation (GFK) sind die Auflösung alter Muster wie Verteidigung, Angriff oder Rückzug. Stattdessen wird die gegenseitige Wertschätzung nachhaltig gefördert und gestärkt, indem Beobachtung, Gefühle und Bedürfnisse bewusst wahrgenommen werden. So kann sich durch einfühlsames Zuhören mit gegenseitiger Wertschätzung eine gemeinsame Suche nach einem Kompromiss oder einer Lösung ergeben, mit der beide Seiten einverstanden und zufrieden sind. Gleichzeitig geht es dabei nicht nur um eine Methode oder Technik, die es zu erlernen gilt. Entscheidend ist eine grundlegende und weitreichende Art der Bewusstseinsänderung, die sich im Denken und in der Sprache ausdrückt. Worte können Fenster sein – oder Mauern. Meine Gedanken und meine Formulierungen sind elementare Bausteine in der verbalen Kommunikation mit meinem Gegenüber – Verbindung und Wohlwollen oder Spaltung und Blockade. Eine nachhaltige Änderung im Denken ist daher Grundvoraussetzung, um die Kommunikation sowohl unter Konfliktpartnern als auch in jeder Art von Beziehung zu verbessern. Gelebte Gewaltfreie Kommunikation ist getragen von Empathie, Verständnis und ehrlichem Selbstausdruck ohne die übliche vorwurfsvoll fordernde Haltung des persönlichen Gekränktseins. Das schließt mit ein, dass ich auch mir selbst und meinen Bedürfnissen gegenüber empathisch, offen und ehrlich bin.

Seit ich mich mit dem Thema GFK beschäftige, ist mein Leben reicher geworden! Nach wie vor bin ich derselbe Mensch mit Höhen und Tiefen, mit gedanklichen „Verflechtungen“ und Irritationen. Ich ertappe mich beim Urteilen und Bewerten und bemerke gleichzeitig den Unmut, der dabei in meinem Inneren entsteht – nicht zuletzt, weil ich es ganz eindeutig besser weiß, damit umgehen und meinen Gefühlen und Bedürfnissen vertrauen kann! Und genau dieses Bewusstsein ist es, das mir trotz gelegentlicher Hemmnisse und „Rückfälle“ in alte Muster schließlich meinen Frieden zurückbringt. Veränderung beginnt im Kleinen, bei uns selbst. Der Weg lohnt sich. Der Lösungsraum bietet die Chance ihn zu gehen......

 

Ellen Reschke